Preface Vienna

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Prefatory Remarks I (Pre-March 1938)[547]

With the daring of one who has nothing or little to lose, I propose to break a well-grounded resolution for the second time and to follow up my two treatments of Moses and send forward the endpiece, till now withheld.[548] When I finished the last essay, and said I knew full well that my powers would not suffice for the task, I was naturally referring to the weakening of the creative faculties which accompanies old age,[f52] but I was thinking also of another obstacle.[549]

We live in particularly remarkable times.[550] We find with astonishment that progress has concluded an alliance with barbarism.[551] In Soviet Russia the attempt has been made to better the life of a hundred million people till now held in suppression.[552] The authorities were bold enough to deprive them of the “opiate” of religion and wise enough to grant them a reasonable measure of sexual freedom, but in so doing they subjected them to the cruelest coercion and robbed them of every possibility of freedom of thought. [553] With similar brutality the Italian people are being educated to order and conscientiousness.[554] One finds relief from an oppressive concern, in the case of the German people, a relapse into all but prehistoric barbarity can go without support of any progressive idea.[555] Anyhow, it has turned out that today the conservative democracies have become the guardians of cultural progress today and that, strangely enough, a sturdy resistance against the danger to culture has been put up by the institution of the Catholic Church.[556] She which till now have been the relentless enemy of all freedom of thought and resolutely opposed to progress towards the knowledge of truth![557]

We live here in a Catholic country. under the Church’s protection, uncertain how long it will last.[558] So long as it does exist, we naturally hesitate to do anything that is bound to arouse the hostility of that church.[559] It is not cowardice, but caution; the new enemy[f53]*—and I shall guard against doing anything that would serve its interests—is more dangerous than the old one, with which we have learned to live. [560] Psychoanalytic research is in any case the subject of mistrustful attention on the part of Catholicism.[561] I do not maintain that this suspicion is incorrect.[562] If our work leads us to a result that reduces religion to the status of a neurosis of mankind and explains its grandiose power in the same way as we should a neurotic obsession in our individual patients, then we may be sure we shall incur the greatest displeasure of the powers that be.[563] Not that we have something new to say that we did not express clearly enough a quarter century ago; all that, however, has been forgotten, and it would not remain unmoved were we to repeat that now and elucidate once and for all a decisive example of religion-founding. [564] It would likely lead to banning of operations in psychoanalysis.[565] Such violent methods of suppression are by no means alien to the Church; it is rather an intrusion into her privileges when others resort to the same means.[566] But psychoanalysis, which has travelled everywhere during the course of my long life, has not yet found a more valuable home than the city where it was born and grew.[567]

I don’t just believe, I know, that this external danger will deter me from publishing the last part of my study on Moses.[568] I have made an attempt to remove these difficulties from the way by telling myself that my anxiety is based on an overestimation of my personal importance.[569] The authorities would probably be quite indifferent to what I should have to say about Moses and the origin of monotheistic religions. [570] Yet I do not feel sure that my judgment is correct. It seems to me more likely that malice and a lust for sensation would make up for the validity I may lack in the eyes of the world.[571] So I shall not make this work known, but that need not prevent me from writing it.[572] The more so since it was written once before, two years ago, and thus only needs reworking and adding to the two previous essays.[573] Thus it may lie hid until the time comes when it may safely venture into the light, or until someone else who reaches the same opinions and conclusions can be told: “In darker days there lived a man who thought as you did.”[574]

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FOOTNOTES

  1. I do not share the opinion of my contemporary Bernard Shaw that men would achieve anything right only if they could attain the age of 300 years. With the mere lengthening of lifespan nothing would be gained unless much in the conditions of life were radically changed as well. f52↑

  2. * i.e., German National Socialism.-Translator f53↑

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TRANSLATION

  1. Vorbemerkung I (vor dem März 1938)

  2. Mit der Verwegenheit dessen, der nichts oder wenig zu verlieren hat, gehe ich daran, einen gut begründeten Vorsatz zum zweiten Mal zu brechen und den beiden Abhandlungen zu Moses in Imago (Bd. XXIII, Heft 1 und 3) das zurückgehaltene Endstück nachzuschicken.

  3. Ich schloß mit der Versicherung, ich wisse, daß meine Kräfte dazu nicht ausreichen würden, meinte natürlich die Abschwächung der schöpferischen Fähigkeiten, die mit dem hohen Alter einhergeht, [Footnote: Ich teile nicht die Ansicht meines Altersgenossen, Bernard Shaw, daß die Menschen erst dann etwas Rechtes leisten würden, wenn sie 300 Jahre alt werden könnten. Mit der Verlängerung der Lebensdauer wäre nichts erreicht, es müßte denn vieles andere an den Lebensbedingungen vom Grunde aus geändert werden.] aber ich dachte auch an ein anderes Hemmnis.

  4. Wir leben in einer besonders merkwürdigen Zeit.

  5. Wir finden mit Erstaunen, daß der Fortschritt ein Bündnis mit der Barbarei geschlossen hat.

  6. In Sowjetrußland hat man es unternommen, etwa 100 Millionen in der Unterdrückung festgehaltener Menschen zu besseren Lebensformen zu erheben.

  7. Man war verwegen genug, ihnen das “Rauschgift” der Religion zu entziehen, und so weise, ein verständiges Maß von sexueller Freiheit zu geben, aber dabei unterwarf man sie dem grausamsten Zwang und raubte ihnen jede Möglichkeit der Denkfreiheit.

  8. Mit ähnlicher Gewalttätigkeit wird das italienische Volk zu Ordnung und Pflichtgefühl erzogen.

  9. Man empfindet es als Erleichterung von einer bedrückenden Sorge, wenn man im Fall des deutschen Volkes sieht, daß der Rückfall in nahezu vorgeschichtliche Barbarei auch ohne Anlehnung an irgendeine fortschrittliche Idee vor sich gehen kann.

  10. Immerhin hat es sich so gestaltet, daß heute die konservativen Demokratien die Hüter des kulturellen Fortschritts geworden sind und daß sonderbarerweise gerade die Institution der katholischen Kirche der Ausbreitung jener kulturellen Gefahr eine kräftige Abwehr entgegensetzt.

  11. Sie, bisher die unerbittliche Feindin der Denkfreiheit und des Fortschritts zur Erkenntnis der Wahrheit!

  12. Wir leben hier in einem katholischen Land unter dem Schutz dieser Kirche, unsicher, wie lange er vorhalten wird.

  13. Solange er aber besteht, haben wir natürlich Bedenken, etwas zu tun, was die Feindschaft der Kirche erwecken muß.

  14. Es ist nicht Feigheit, sondern Vorsicht; der neue Feind, dem zu Dienst zu sein wir uns hüten wollen, ist gefährlicher als der alte, mit dem uns zu vertragen wir bereits gelernt haben.

  15. Die psychoanalytische Forschung, die wir pflegen, ist ohnedies der Gegenstand mißtrauischer Aufmerksamkeit von seiten des Katholizismus.

  16. Wir werden nicht behaupten, es sei so mit Unrecht.

  17. Wenn unsere Arbeit uns zu einem Ergebnis führt, das die Religion auf eine Menschheitsneurose reduziert und ihre großartige Macht in der gleichen Weise aufklärt wie den neurotischen Zwang bei den einzelnen unserer Patienten, so sind wir sicher, den stärksten Unwillen der bei uns herrschenden Mächte auf uns zu ziehen.

  18. Nicht, daß wir etwas zu sagen hätten, was neu wäre, was wir nicht schon vor einem Vierteljahrhundert deutlich genug gesagt haben, aber das ist seither vergessen worden, und es kann nicht wirkungslos bleiben, wenn wir es heute wiederholen und an einem für alle Religionsstiftungen maßgebenden Beispiel erläutern.

  19. Es würde wahrscheinlich dazu führen, daß uns die Betätigung in der Psychoanalyse verboten wird.

  20. Jene gewalttätigen Methoden der Unterdrückung sind der Kirche ja keineswegs fremd, sie empfindet es vielmehr als Einbruch in ihre Vorrechte, wenn auch andere sich ihrer bedienen.

  21. Die Psychoanalyse aber, die im Laufe meines langen Lebens überall hin gekommen ist, hat noch immer kein Heim, das wertvoller für sie wäre als eben die Stadt, wo sie geboren und herangewachsen ist.

  22. Ich glaube es nicht nur, ich weiß es, daß ich mich durch dies andere Hindernis, durch die äußere Gefahr, abhalten lassen werde, den letzten Teil meiner Studie über Moses zu veröffentlichen.

  23. Ich habe noch einen Versuch gemacht, mir die Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, indem ich mir sagte, der Angst liege eine Überschätzung meiner persönlichen Bedeutung zu Grunde.

  24. Wahrscheinlich werde es den maßgebenden Stellen recht gleichgültig sein, was ich über Moses und den Ursprung der monotheistischen Religionen schreiben wolle.

  25. Aber ich fühle mich da nicht sicher im Urteil. Viel eher scheint es mir möglich, daß Bosheit und Sensationslust das wettmachen werden, was mir im Urteil der Mitwelt an Geltung fehlt.

  26. Ich werde diese Arbeit also nicht bekannt machen, aber das braucht mich nicht abzuhalten, sie zu schreiben.

  27. Besonders da ich sie schon einmal, vor jetzt zwei Jahren, niedergeschrieben habe, so daß ich sie bloß umzuarbeiten und an die beiden vorausgeschickten Aufsätze anzufügen habe.

  28. Sie mag dann in der Verborgenheit aufbewahrt bleiben, bis einmal die Zeit kommt, wann sie sich gefahrlos ans Licht wagen darf, oder bis man einem, der sich zu denselben Schlüssen und Meinungen bekennt, sagen kann, es war schon einmal in dunkleren Zeiten jemand da, der sich das nämliche wie du gedacht hat.

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